„Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.“
Hiob 9,8f
Hiob singt ein Lied auf Gott – ausgerechnet er, der doch alles verloren hat! Er weiß wohl, dass Gott alles gemacht hat, die Sterne, die Erde. Berge kann er versetzen, er hält die Welt in seinen Händen.
Aber dann kommt der Haken an der Sache: Gerecht ist Gott nicht! Gerecht müsste doch bedeuten, es gibt einen Zusammenhang von dem was ich tue und dem, wie es mir ergeht. Hiob ist immer ein frommer Mensch gewesen. Natürlich fragt er sich, warum Gott ihn nicht dementsprechend spüren lässt, wie sehr ihm das gefällt. Im Gegenteil, er muss leiden und hat alles verloren. Wäre Gott gerecht, gäbe es doch einen Grund dafür, eine Antwort auf die Frage nach dem Warum.
So gerät Hiob fast in einen Streit mit seinen Freunden, die eine Schuld bei Hiob suchen, er aber alles von sich weißt. Die Frage nach dem ist offen.
Und so entsteht eine Lücke, die kaum zu ertragen ist. Für Hiob, seine Freunde, uns. Bis heute. Immer wieder wird die Frage „Warum?“ gestellt, wenn Menschen einen Schicksalsschlag erleiden, sie zweifeln und ihre Werte ins wanken geraten.
„Warum?“ und keine Antwort. Diese Lücke lässt Menschen hilflos und handlungsunfähig zurück. Wegen ihr kämpfen Menschen mit Gott und wenden sich von ihm ab. Hiob wählt einen anderen Weg. Er versucht einen anderen Blickwinkel einzunehmen und Gott als den Schöpfer zu sehen. Was er sieht, bringt ihn zum Singen: „Er allein breitet den Himmel aus!“
Und ich frage mich: Wenn ich mein Bild von einem gerechten Gott aufgeben muss, wenn ich auf mein Frage nach dem Warum keine Antwort bekomme, egal wie lang ich feilsche, hilft es dann den Schöpfer und seine Schöpfung ins Spiel zu bringen?
Ich stelle mir vor, wie Hiob in den Sternenhimmel schaut. So wie auch ich oft. Unvorstellbare Weite, Dunkelheit, Ruhe. Und dann sind da Sterne, sie bilden Muster, die ich nicht verstehe. Hat Gott sie in den Himmel geschrieben?
Ich spüre angesichts dieser Weite des Himmels, der Weite der Zeit und Ewigkeit, kommt die Frage nach dem Warum an ihre Grenze. Sie und jeder der sie stellt wird einmal enden. Dass sie ohne Antwort bleibt verliert ihre Schwere. Wenn das Kämpfen und Fragen und Klagen aufhört, entsteht ein unscheinbarer Moment, der doch strahlt, der tröstet. In dem ich mich vielleicht halten lassen kann. Von einem schöpferischen Gott, der sich nicht messen und erfragen lässt. Und doch lädt er immer wieder ein, mit Augen und Gedanken den Himmel abzufahren. Großer Wagen, Orion, Siebengestirne, Stern des Südens, Weite und Stille. Er hat sie gemacht, mit seinen Händen.
Hände, die mich umfangen, jenseits aller Fragen, davor und danach.
Dass Sie diese Gewissheit spüren, wünscht
Ihre Pfarrerin Sarah Zeppin.