Liebe Leserinnen und Leser,
ich mag Dinge, die vor mir da waren und nach mir da sein werden.
Der Fliederbaum, der sich schon knochig und gewunden an die Ecke unseres Hauses schmiegte als ich noch ein Kind war. Erste Kletterversuche habe ich dort gemacht und seine Blüten in eine Vase gestellt. Und wenn ich seinen Duft vernahm, habe ich geglaubt, so würde es im Himmel riechen.
Hier am Fuß des Berges, an dem vor mehreren hundert Jahren der Grundstein für die Kirche gelegt wurde. Der Berg scheint dem Zahn der Zeit mühelos stand zu halten, während die Menschen, die an seinem Fuß stehen andere sind.
Auch in der Kirche sitze ich gerne. Andere haben ihre Steine neu übereinander geschichtet, als ein Brand sie zerstörte. Haben die Bögen der Fenster konzipiert und kunstvoll die Emporen bemalt.
All diese Dinge erzählen Geschichten.
Wie viele Gebete haben sie vernommen, wie viele Paare haben sie gesehen, die zuversichtlich und hoffnungsvoll „Ja“ zueinander sagten? Und haben sie auch jene trösten können, die Abschied nehmen mussten, die sich in schweren Zeiten in diese Mauern geflüchtet haben?
Ja, ich mag den Fliederbaum, den Berg und die schöne Kirche. Sie erzählen mir von Verlässlichkeit. Sie stehen für ein Versprechen von Beständigkeit, das ich weder einlösen kann noch muss.
Dafür ist ein anderer da.
Es gibt vieles, was mich überdauern wird. Ich führe manches fort, was ein anderer begonnen hat. Und anderes, was ich beginne, wird vielleicht eine andere vollenden.
Ich weiß: Auch die Dinge, von denen ich erzählt habe, werden irgendwann einmal vergehen. Und doch scheinen sie mir da zu sein für eine kleine Ewigkeit.
Als seien sie Bilder, die über sich hinausweisen und mehr sagen, als es mit Worten möglich ist. Sie sind Hinweise, eingebaut in unsere vergängliche Welt, die schon von Gott erzählen, der ewig ist und sich von nichts fassen lässt, weder in Raum noch Zeit.
Einen unvergesslichen Sommer wünscht Ihnen,
Ihre Pfarrerin Sarah Zeppin